Nachrichten | Österreich

24. August 2020

Philips Studie: Corona verdeutlicht Herausforderungen des österreichischen Gesundheitssystems


Öffentliche Investitionen ins Gesundheitswesen würden krisengeschwächte Wirtschaft enorm ankurbeln

Alpbach – Die Corona-Pandemie offenbart die Problemstellen in den regionalen Gesundheitssystemen Österreichs – das zeigt der vierte Teil der Philips Austria Studie neben neuen Erkenntnissen rund um das Gesundheitswesen Österreichs sowie der Lage des ambulanten Sektors. Die Politik sollte das System stärken, um die Gesundheitsversorgung effektiver zu gestalten und auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein, denn: Österreichs Rang bei der Vorbereitung auf Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit ist im internationalen Vergleich schwach.

 

  • Corona-Bilanz: Im internationalen Vergleich gutes politisches Vorgehen, viele Intensivbetten, aber Vorbereitung auf Bedrohungen öffentlicher Gesundheit mangelhaft
  • Corona-Infektionsrisiko hängt mit regionaler Arbeitslosenquote zusammen
  • Gesundheitssektor als Wirtschafts-Impulsgeber: Öffentliche Investitionen von 2 % der Wirtschaftsleistung würden zu einer Steigerung der Gesamtbeschäftigungsquote von mind. 2 Prozentpunkten führen und Corona-bedingte Arbeitslosigkeit – vor allem bei Frauen – vermindern
  • Strukturmängel und Investitionsstau bei ambulanter Versorgung: Regionale Zusammenführung der Mittel über alle Versorgungsakteure ist wichtiger als Umbau der Kassenlandschaft – insbesondere für Behandlung chronisch Kranker
  • Erstmals durch Behandlung oder Prävention vermeidbare Mortalität berechnet
  • Bundesländer-Vergleich zeigt weiterhin starke Unterschiede regionaler Gesundheitssysteme
 
Das Corona-Virus bestimmt nach wie vor unser Leben und hat das Gesundheitssystem in Österreich auf eine noch nie dagewesene Belastungsprobe gestellt. In der Philips Austria Studie „Leistungskraft regionaler Gesundheitssysteme und COVID-19“ hat die Autorin und Geschäftsführerin von Health Systems Intelligence, MMag. Maria Hofmarcher-Holzhacker, daher neben der Untersuchung der regionalen Gesundheitssysteme einen besonderen Fokus auf die Auswirkungen durch die Corona-Krise und den ambulanten Sektor gelegt. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind in sämtliche Analysen der Leistungsbereiche Zugang, Qualität und Effizienz mit eingeflossen. „Österreich hat in Summe sehr gut auf die Corona-Krise reagiert und die Infektionszahlen gut im Griff, weil auch das Gesundheitssystem dementsprechend gut ausgestattet war und ist. Aber die Pandemie hat auch gezeigt, wo es im System hakt“, fasst die Studienautorin zusammen.
 
Die Philips Studie dient als Richtungsweiser für alle gesundheitspolitischen Organisationen und liefert eine integrierte Gesamtsicht auf das regionale Geschehen im Gesundheitssektor. Der heute vorgestellte vierte Teil zeichnet ein detailliertes Leistungsbild des ambulanten Sektors und knüpft an vorherige Studienteile an. „Die letzten Monate haben verdeutlicht, dass Gesundheit eines der wichtigsten Güter ist, und dieses möchte Philips nicht nur bestmöglich erhalten, sondern weiter verbessern. Die Studie zeigt, in welche Richtung sich das System entwickeln sollte und welche politischen Handlungen es braucht, um es nachhaltig zu stärken. Kürzungen im Gesundheitswesen schaden nicht nur der Versorgung Österreichs in einer besonders vulnerablen Zeit, sondern besonders auch der Wirtschaft“, so Michaela Latzelsberger, CEO Philips Austria GmbH.

Österreich hat Corona-Virus im Vergleich gut bewältigt

Österreich hat ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem: Mit 29 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner ist Österreich vergleichsweise gut auf die Behandlung schwer Kranker vorbereitet. Länder wie Griechenland oder Irland stoßen hier schneller an ihre Grenzen. Auch die Infektionsbekämpfungsstrategie der österreichischen Regierung war im OECD-Vergleich gut, wie auch die Studie zeigt. Die nahezu vollständige Sperrpolitik in Österreich hat die Ausbreitung der Epidemie wirksam eingedämmt. Laut einem Ranking der Economist Intelligence Unit haben die Behörden effektiv auf die Corona-Epidemie reagiert. Österreich hat bislang pro Kopf einen Bruchteil der Todesfälle durch COVID-19 als in anderen Ländern verzeichnet. Gleichzeitig ist Österreichs Rang bei der Vorbereitung auf Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit im internationalen Vergleich schwach. Dies zeigt sich insbesondere in fehlender Regulierung zur Koordination zwischen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheitsbehörden, aber auch in Bezug auf die Notfallkommunikation mit Mitarbeitern des Gesundheitswesens.

COVID-19-Risiko steigt mit Arbeitslosigkeit

Für die Studie haben Hofmarcher-Holzhacker und ihr Team auch untersucht, ob sich sozioökonomische Faktoren auf die Ausbreitung und den Verlauf von Corona-Erkrankungen auswirken – zumal andere Studien darauf hinweisen. Für Österreich konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Lebenssituation der Menschen und dem Infektionsrisiko (Zahl der Fälle pro 100.000 Einwohner) oder der Sterblichkeit (Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner) auf Bezirksebene festgestellt werden. Allerdings hängt das Infektionsrisiko der Bevölkerung eines Bezirkes signifikant mit der dortigen Arbeitslosenquote zusammen – wobei die Analysen in Österreich auf vergleichsweise niedrigen Fallzahlen basieren.

Frauen-Arbeitslosigkeit besonders hoch, Gesundheitssektor als Wirtschafts-Impulsgeber

Mit der Corona-Pandemie ist Österreich – wie auch die Wirtschaft weltweit – in eine schwere Rezession geschlittert, und die Arbeitslosenquote ist nach oben geschnellt. Frauen sind wirtschaftlich stärker von Corona betroffen und bei den Krisenbewältigungsprogrammen benachteiligt. Da der Frauenanteil in den besonders betroffenen Sektoren Gesundheit, Bildung, Gastronomie und Kultur höher ist, sind nun besonders viele Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen. Analysen für Österreich schätzen, dass den Frauen nur 40 % des österreichischen Konjunkturpaketes zugutekommen werden. 
 
Um die Wirtschaft anzukurbeln, braucht es laut Studienautoren öffentliche Gelder als Impulse – besonders für das Gesundheitswesen, denn es schafft wesentliche Chancen für mehr Beschäftigung, Forschung und technischen Fortschritt. „Studien zeigen, dass öffentliche Investitionen in Gesundheit und Pflege von 2 % der Wirtschaftsleistung zu einer Steigerung der Gesamtbeschäftigungsquote von mindestens 2 Prozentpunkten in der ganzen EU-28 führen würden. Damit würde ein größerer Beschäftigungsanreiz erzielt werden, als es beispielsweise in der Baubranche der Fall ist, und Frauenbeschäftigung verstärkt gefördert. Wir haben daher einen Corona-Fonds namens ‚AT4Health‘ definiert, mit dem Kapazitäten, Beschaffung und Personal besser dotiert, Ressourcen und Testaktivitäten koordiniert und in effektivere Leistungen investiert werden kann. Grob geschätzt wird das Gesundheitswesen in etwa 4,2 Mrd. Euro benötigen, wenn man die geschätzten Einnahmeausfälle für 2020 hinzuzählt“, so Hofmarcher-Holzhacker. Diese Gesamtkosten gliedern sich folgendermaßen:

tabelle geschaetzte einnahmenausfaelle 2020

Ambulanter Sektor im Umbruch, Zweiklassen-System verschärft sich

Der ambulante Sektor hat im Vergleich zur Eurozone 2018 leicht aufgeholt. Damit ist das relative Ungleichgewicht in der Versorgungskette etwas gemildert. Innerhalb des ambulanten Sektors kam es in den letzten Jahren jedoch zu deutlichen Veränderungen hin zu weniger kassenärztlicher Versorgung bei gleichzeitig steigendem Angebot von Wahlärztinnen und Wahlärzten und wachsender Aktivität in Spitalsambulanzen. „Hier vermengen sich ambulante Fälle zunehmend mit tagesklinischer Versorgung, deren Anteil sich an den gesamten Aufenthalten über die letzte Dekade mehr als verdoppelt hat – mit großen Unterschieden zwischen den Bundesländern“, erklärt Hofmarcher-Holzhacker. Der Transformationsprozess des Gesundheitssektors von mehr ambulanter und weniger stationärer Versorgung steht erst am Anfang. Zudem gibt es weiterhin wesentliche Informations- und Datenlücken, wie das Studienteam auch schon in den letzten Jahren erhoben hat.

Starker Mangel an Pflegefachkräften

Während ausgabenseitig Ungleichgewichte im Gesundheitssystem etwas gemildert sind, sind sie bezogen auf den Personaleinsatz stark ausgeprägt. Bei sehr hoher Dichte von Ärztinnen und Ärzten war mit 713 Pflegepersonen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2018 deutlich weniger Personal verfügbar als in vergleichbaren europäischen Ländern, wie Deutschland (1.351 Personen) oder Dänemark (1.046 Personen). Zudem ist die Personaldichte seit 2008 kaum gestiegen und das gesamte nicht-medizinische Gesundheitspersonal nicht adäquat eingesetzt. Das hat wesentliche Auswirkungen auf die Versorgung von chronisch Kranken und auf die notwendige Verbesserung der Prävention und der Gesundheitsförderung am „Best Point of Service“. Zudem gibt es wenig professionelles Pflegepersonal im Bereich der Langzeitpflege, da in Österreich traditionell die damit verbundenen Kosten gescheut werden. In diesen Bereich sollte daher investiert werden. Ausgaben für Leistungsharmonisierung, wie in AT4Health vorgeschlagen, sollten monetäre Anreize für mehr Pflege in der medizinischen Versorgung im ambulanten Sektor bieten.

Fokus auf Prävention ist wesentlich, um vermeidbare Todesfälle zu minimieren

Für 2018 zeigt die Studie, dass 10.069 oder 12 % aller Todesfälle (83.975) in Österreich nach OECD-Definition in die Kategorie der vermeidbaren Todesfälle fallen. Einige Todesursachen könnten dabei eher durch Prävention, andere durch Behandlung vermieden werden. Mit 150 und 144 Todesfällen gab es in Kärnten um 36 und im Burgenland um 30 vermeidbare Sterbefälle pro 100.000 Einwohner mehr als im österreichischen Durchschnitt (114). Die vermeidbare Sterblichkeit in Kärnten lag damit um ganze 46 % höher als im Vergleich zu Oberösterreich (103 Sterbefälle). Fast genauso wenige vermeidbare Todesfälle verzeichnete Niederösterreich (104), in Wien gab es im Jahr 2018 trotz der hohen Risikofaktoren 113 vermeidbare Todesfälle je 100.000 Einwohner.
 
Die Mortalität, die durch Präventionsmaßnahmen vermeidbar gewesen wäre, zeigt ein zum Gesamtindikator fast identisches Bild. Krebserkrankungen und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems machen die Hälfte aller Fälle aus, gefolgt von Verletzungen und Todesfällen im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen. Auch die Entstehung von chronischen Krankheiten wird durch mangelhafte Prävention begünstigt. Dabei gibt es merkliche Abweichungen zwischen den Bundesländern. Im internationalen Vergleich liegt Österreich mit dem Indikator Mortalität, die durch Prävention vermeidbar wäre, sichtbar schlechter als mit jenem, der auf Behandlung abzielt. Es braucht daher einen stärkeren Fokus auf Prävention. Es muss dafür mehr nicht-ärztliches Personal eingesetzt werden, und die finanziellen Mittel sollten aufgestockt werden.

Starke Unterschiede in den Bundesländern

Wie in den letzten Jahren enthält die Studie auch heuer neue Teilergebnisse für die Bundesländer Österreichs, die pro Bundesland in Factsheets aufgeschlüsselt wurden. Im Burgenland steht das Gesundheitssystem vor erheblichen Herausforderungen. Die Lebenserwartung in guter Gesundheit ist von allen österreichischen Bundesländern am niedrigsten, das weist auf eine große Belastung mit chronischen Erkrankungen hin. In Kärnten ist die Zahl der vermeidbaren Todesfälle besonders hoch, obwohl die Lebensweise der Bevölkerung als gesund einzustufen ist. Ein Grund dafür könnte die schwierige finanzielle Situation des Landes sein. Kärnten spart im System, und das hinterlässt Spuren. Die Niederösterreicher lassen sich ihre Gesundheit etwas kosten. Die Lebenserwartung in guter Gesundheit liegt im österreichischen Mittelfeld, sie erreicht etwa 66 Jahre. Die Zahl der chronisch Kranken ist vergleichsweise hoch. Diese werden durch mobile Pflegekräfte professionell und kostengünstig versorgt. Gesamt betrachtet gehört das niederösterreichische Gesundheitssystem zu den teureren in Österreich.  Nur in Oberösterreich war die Zahl der vermeidbaren Todesfälle je 100.000 Einwohner im Jahr 2018 niedriger, die Ausgaben waren dennoch gering. Hohe Einkommen und niedrige Armutsgefährdung dürften sich zudem positiv auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung auswirken.
 
In Salzburg ist die Lebenserwartung bei guter Gesundheit österreichweit eine der höchsten (70 Jahre), in Relation zur Gesamtbevölkerung gibt es wenig chronisch Kranke (33,5%, bei einem Österreichschnitt von 36%), außerdem ist der Lebensstil der Bevölkerung gesundheitsfördernd. In der Steiermark liegt die gesunde Lebenserwartung etwas niedriger als im österreichischen Durchschnitt, es gibt Hinweise auf eine gewisse Belastung durch chronische Erkrankungen. Es bestehen erhöhte Gesundheitsrisiken, etwa die hohe Armutsgefährdung. In Tirol leben die Menschen sehr gesund, das steigert die Lebensqualität und -erwartung und senkt die Kosten für ihre Gesundheit. Jedoch steigen die öffentlichen Ausgaben für stationäre Versorgung schneller an als in Gesamt-Österreich. Ähnlich gesund lebt es sich in Vorarlberg – allerdings verursacht das Gesundheitssystem hier hohe Kosten. Grund dafür sind die hohen Gehälter und Honorare, die an das ärztliche Personal im stationären und ambulanten Bereich gezahlt werden, um die Versorgung sicherzustellen. Wien setzt zu wenig auf Prävention, und die Lebenserwartung bei guter Gesundheit ist niedriger (65 Jahre). Gemessen an der vergleichsweisen niedrigen Zahl von vermeidbaren Todesfällen ist die Qualität gut, obwohl Wien den höchsten Raucheranteil hat, viele Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen und von Armut bedroht sind. Das Gesundheitssystem, allen voran die Wiener Spitäler, leistet vieles, um Krankheiten zu behandeln. Dementsprechend hoch sind auch die Ausgaben pro Kopf. Wie überall in Österreich werden immer mehr Leistungen von Wahlärztinnen und Wahlärzten erbracht, während die Versorgung mit Kassenärzten bestenfalls stagniert.

Reformen durch Corona notwendiger denn je

„Die Corona-Pandemie hat die Schwachstellen unseres Gesundheitssystems aufgedeckt. Die Politik sollte nun die Gelegenheit nutzen, um Systeme neu zu denken, zu stärken, um auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein und auch die Gesundheitsversorgung im Allgemeinen effektiver auszurichten. Die derzeitigen Anreize reichen nicht aus. Die Studie entwickelt eine Reformagenda, die das Ziel hat, die zukünftige Versorgung koordiniert und kostenschonend zu verbessern. Der Umbau des Systems in eine regionale Zusammenführung der Mittel für ambulante Versorgung über die wichtigsten Versorgungssettings ist ein Muss und wichtiger als der Umbau der Kassenlandschaft“, fordert HofmarcherHolzhacker. „Investitionen in neue Technologien und digitale Lösungen – etwa in Richtung der Telemedizin – könnten dazu beitragen, die Akteure im Gesundheitssystem zu entlasten, und würden dabei helfen, dass das Fachpersonal wieder verstärkt auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten eingehen kann“, schließt die Studienautorin.
 
Die gesamte Studie ist hier abrufbar: www.philips.at/alpbach

Über Royal Philips

Royal Philips (NYSE: PHG, AEX: PHIA) ist ein führender Anbieter im Bereich der Gesundheitstechnologie. Ziel des Unternehmens mit Hauptsitz in den Niederlanden ist es, die Gesundheit der Menschen zu verbessern und sie mit entsprechenden Produkten und Lösungen in allen Phasen des Health Continuum zu begleiten: während des gesunden Lebens, aber auch in der Prävention, Diagnostik, Therapie sowie der häuslichen Pflege. Die Entwicklungsgrundlagen dieser integrierten Lösungen sind fortschrittliche Technologien sowie ein tiefgreifendes Verständnis für die Bedürfnisse von medizinischem Fachpersonal und Konsumenten. Das Unternehmen ist führend in diagnostischer Bildgebung, bildgestützter Therapie, Patientenmonitoring und Gesundheits-IT sowie bei Gesundheitsprodukten für Verbraucher und in der häuslichen Pflege. Philips beschäftigt etwa 81.000 Mitarbeiter in mehr als 100 Ländern und erzielte in 2019 einen Umsatz von 19,5 Milliarden Euro. Mehr über Philips im Internet: www.philips.at

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